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Mozarts Vorbilder und Zeitgenossen

Concerti Galanti

Mozarts Vorbilder und Zeitgenossen

Mozarts Klavierkonzerte dominieren unsere Sicht auf diese Gattung zwischen 1770 und 1790. Diese drei CDs mit Concerti seiner hier überwiegend italienischen Zeitgenossen bieten kompakt eine breitere Perspektive in solider interpretatorischer Wiedergabe.

Die zehn Konzerte dieser Anthologie sind bislang auf Tonträger höchst unterschiedlich präsent: Für Liebhaber der Klavierkonzerte Mozarts, die nach vergleichbaren Werken seiner Zeitgenossen suchten, liegen die zeitlebens in drei geduckten Sixpack-Sammlungen publizierten Klavierkonzerte von Johann Christian Bach als direkte Vorbilder und Konkurrenten besonders nah. Die Mozart-Spezialistin Ingrid Haebler hatte hier erste Referenzeinspielungen geliefert, und das hier vertretene Es-Dur-Konzert op.7 Nr. 5 wird von Elena Pinciaroli und einem wenig ‚historisierenden‘, aber lebendig und sauber musizierenden Kammerorchester mit einem Haebler ganz ähnlichen interpretatorischen Ansatz vorgestellt.

Einzelbeispiele von Paisiello und Johann Christian Bach

Auch die acht Klavierkonzerte des länger in Russland bei Katharina der Großen tätigen Giovanni Paisiello sind diskographisch gut erschlossen, und das hier ausgewählte F-Dur-Konzert (Nr. 2) zeigt leider die qualitativen Distanzen zwischen den meisten der hier versammelten ‚galanten Konzerten‘ und dem Wiener ‚Genie‘: Nicht nur die Thematik ist größtenteils deutlich weniger einfallsreich, sondern vor allem auch der Bereich der Übergänge und Passagen, welche bei den hier versammelten Komponisten oft standardisiert oder konfektioniert erscheinen. David Boldrini, der außer bei Bach alle Solo-Parts übernommen hat, begegnet dem mitunter durch Tempi am Rande ungesunder Hektik: Am deutlichsten misslingt dadurch eine der größten Raritäten, das G-Dur-Konzert Niccolò Jommellis, aber auch der erstaunlich opernhafte und ausdrucksstarke Beitrag Luigi Boccherinis; in den anderen Konzerten scheint Dirigent Filippo Conti den Sturm und Drang gegenüber dem galanten, empfindsamen Vortrag eher zu mildern.

Boldrini durchaus stürmerisch, drängerisch, akzentuiert

Von der Spielkultur her enttäuscht Boldrini keineswegs, sondern spielt durchgängig souverän, nuanciert und einfühlsam. Jedoch ohne individuelles Profil, so dass man sich die besten Konzerte mal mit alten oder jüngeren Star-Pianisten wünschen würde. Muzio Clementis C-Dur-Konzert oder das wirklich überraschende und am deutlichsten auf Mozart weisende Klavierkonzert des ‚Mannheimers‘ Carl Stamitz sind hier eher diszipliniert als inspiriert vorgetragen (und die mir bekannten Alternativen mit Pietro Spada und Felicja Blumenthal doch insgesamt etwas spannender). Die Beiträge von Domenico Cimarosa und Giuseppe Maria Cambini – das Konzert wird in den Playlists fälschlich Carlo Andrea Cambini (1819-1865) zugeschieben – besitzen trotz ihrer weitgehenden Einfachheit in Boldrinis auch hier mitunter etwas hetzenden Händen hinreichend Charme. Interessant auch die Aufnahme zweier Werke für zwei Pianisten und Orchester, an denen Elena Pinciaroli beteiligt ist: Leopold Koželuch setzt das Gespann vierhändig ein und erweist sich wieder einmal als einer neben den großen Drei qualitiativ hochwertigsten ‚Wiener Klassiker‘.

Italienische Perspektive

Das in manchen Ansätzen vielleicht ‚frühklassisch‘ wirkende, in Kürze und Machart aber ebenso sichtlich barocke Konzert für zwei Cembali und Streicher des 1736 verstorbenen Giovanni Battista Pergolesi hingegen hat in dieser ‚galanten‘ Anthologie am wenigsten zu suchen, unterstreicht aber, dass die italienischen Interpreten eher auf ihre einstigen Landsleute geschaut haben als auf die durchaus auch beachtliche britische oder deutsche Produktion zu Mozarts Zeit. Dieses historische ‚italienische‘ Segment findet sich aber gut dokumentiert und zufriedenstellend musiziert.

Der Klang der Aufnahmen aller Konzerte ist insgesamt ansprechend und homogen auf das Soloinstrument zentriert, wirkt aber je nach Wiedergabe-Apparatur im Orchestralen etwas zu hallig und undifferenziert. Beim rein englischsprachigen Booklet mit einem sehr knappen, fast vollständig auf Werk-Datierungen und Kontextualisierungen verzichtenden Einführungstext, erwähnten Listing-Fehlern und völlig fehlenden Informationen zu den Interpreten (und dem nicht recherchierbaren Orchester) zeigt sich leider auch wieder, wie sehr die redaktionellen Ansprüche bei Brilliant Classics schwanken. Für Kenner und Liebhaber der Gattung in dieser Zeit trotzdem eine preiswerte und lohnende Anschaffung.

Hartmut Hein, 21.04.2020