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Nicht an einem Strang

Farrenc: Music for Violin & Piano

Nicht an einem Strang

In der zweiten Gesamteinspielung von Louise Farrencs Werken für Violine und Klavier musizieren beide Interpreten nicht rundum harmonisch miteinander.

Die Erkundung der Kammermusik von Louise Farrenc trägt immer neue Früchte. Diesmal also die Werke für Violine und Klavier, eingespielt im Piano et Forte Studio in Perugia. Daniele Orlando und Linda Di Carlo spielen die beiden Violinsonaten op. 37 und 39 von 1848 resp. 1850 sowie die 1835 entstandenen 'Variations concertantes sur une mélodie suisse' op. 20 aus dem Jahr 1835. Leider stehen sie dem Kompositionsstil Farrencs aber denkbar fern. Mit ihrem interpretatorischen Zugriff klingt die Musik merkwürdig neutral, unverortet, ohne Heimat und ohne wirkliches Ziel. Es wird schön gespielt (auch wenn die Violine im Verhältnis zu dem gelegentlich fast grob behandelten Steinway-Flügel in diversen Sätzen zu leise aufgenommen ist), auch mit Geschmack, aber eben ganz ohne ein Gespür für die Besonderheiten der Musik. Hierdurch geraten die Variationen zur Allerweltsmusik für Virtuosen. Zugegeben, es ist schwierig, sie davor zu bewahren – auch Gaëtane Prouvost und Laurent Cabasso haben 2008 ihrer Pioniereinspielung mit identischem Repertoire der Musik nicht viel Eigencharakter geben können.

Die interpretatorische Neutralität, der Eindruck des Fehlens eines inneren Interpretationsdranges bleibt auch bei den beiden Sonaten bestehen – auch fehlt der Musik hier gelegentlich die Innenspannung, die auch bei der langsamen Einleitung des Kopfsatzes vorhanden sein könnte. Der Geiger ist in manchen Phrasen hörbar nicht ganz sicher (verstärkt wird dieser Eindruck durch die unausgewogene Aufnahmetechnik), und die Pianistin scheint nicht ganz bei der Sache gewesen zu sein – zu wenig differenziert ist ihr Anschlag in vielen Passagen. Am besten gelungen sind die beiden langsamen Sätze, auch wenn auch hier nicht die Seele oder wenigstens die Sinne berührt werden. Zu stark wirkt die Produktion noch wie in der Probenphase – manche Sätze, wie das Ensemble des Finales der zweiten Sonate, klingen fertig ausgearbeitet, aber noch nicht ganz ‚freigespielt‘, andere sind noch regelrecht ‚in der Mache‘. Es hätte der Aufnahme gut getan, wenn sie noch ein halbes Jahr hätte reifen dürfen.

Jürgen Schaarwächter, 29.09.2021