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Reichtum der Ornamentik

Couperin: Complete Harpsichord Music Couperin: Complete Harpsicord Music Massimo Berghella, Cembalo .......................................................................... Reichtum der Ornamentik Massimo Berghella legt eine eindrückliche Aufnahme sämtlicher Cembalowerke von Louis Couperin vor. Ein wenig erinnert die folgende biographische Situation an die Bach-Familie (konkret Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel): Wenn im 18. Jahrhundert (und im Grunde auch heute noch) von dem Namen „Couperin“ die Rede war, so dachte man zunächst an den großen Komponisten und Organisten François Couperin (1668-1733) und nicht an seinen Onkel Louis (1626-1661). Die Umstände dieser historischen Rezeptionsdynamik sollen hier nicht weiter erörtert werden. Bedeutsam ist mit Blick auf die vorliegende, 2023 beim Label Brilliant erschienene CD-Box die Tatsache, dass damit bereits die dritte Gesamteinspielung der Tastenmusik des zu seiner Zeit bedeutenden Organisten und Cembalisten Louis Couperin vorliegt – man kann also von einer gewissen Renaissance des Komponisten sprechen, der mehr und mehr aus dem Rezeptionsschatten seines Neffen herauszutreten beginnt. Die versierten Cembalisten werden Couperin wahrscheinlich schon immer gekannt und gewürdigt haben, doch einem breiteren Publikum vertraut war/ist der Barockkomponist wahrscheinlich nur wenigen. Deshalb sind Einspielungen wie die vorliegende des italienischen Cembalisten Massimo Berghella auch so bedeutsam. Was er in seiner interpretatorisch hervorragenden Darbietung der annähernd 130 Stücke Couperins zu sagen hat, unterstreicht das Renommee des Komponisten auf das Eindrücklichste. Reichtum an Formen und Farben Die in der Einspielung versammelten Werke (insgesamt 17 Suiten, zwei Préludes und eine gewichtige Pavane) veranschaulichen demjenigen, der sich bisher noch nicht mit der Klaviermusik Couperins auseinandergesetzt hat, welch Repertoireschatz da für lange Zeit geschlummert hat und nun sukzessive wiederentdeckt wird. Der Reichtum an tänzerischen Formen und harmonischen Farben, die Frankreich im 17. Jahrhundert für die Gattung der Klaviersuite kannte, werden hier eindrucksvoll abgerufen. Tanzsätze wie Allemandes, Courantes, Sarabandes, Menuette und Gigues nehmen im Klavierwerk Couperins fraglos den Großteil ein. Ursprünglich waren die Stücke wohl nicht in zusammenhängenden Suiten organisiert, sondern wurden auf Grundlage ihrer geteilten Tonart ad hoc für konkrete Anlässe kompiliert. Dieses spielpraktische Vorgehen begründet auch die mitunter recht unterschiedliche Länge der Suiten. Wer sich auf die Musik Couperins in der Darbietung Berghellas einlassen kann, wird fraglos vom fließend-improvisatorisch anmutenden Charakter der Einzelstücke fasziniert sein, die sich durch eine für die Zeit übliche Opulenz dekorativer Verzierungen auszeichnen. Ornamentik ist in der französischen Klaviermusik des Barock keine Nebensache, sondern bildet einen konstitutiven Parameter, an dessen Beherrschung sich nicht zuletzt die Kompetenz des Interpreten abhören lässt. Was Berghella in diesem Punkt dem Hörer zu bieten vermag, ist ein wahrer Reichtum an klanglich-konstitutiver Dekoration. Stichwort Improvisation: Couperin ist vor allem für seine sogenannten „Préludes non mesuré“ bekannt, womit Einleitungsstücke gemeint sind, deren Notenwerte und Metren nicht genau notiert sind. Es obliegt also dem Interpreten, das wenige notenschriftlich Fixierte möglichst kunstvoll umzusetzen. Dass Cembalisten wie Berghella immer auch profunde Musikwissenschaftler sind, die die musiktheoretischen Traktate und Aufführungstraditionen der Zeit kennen und zu vermitteln verstehen, stellt einen weiteren Grund für die Besonderheit dieser Gesamtaufnahme dar, die nicht allein Liebhabern des Repertoires, sondern vor allem jenen empfohlen sei, die sich auf eine für sie bisher neue Dimension klavieristischer Kunst einlassen möchten. Kai Marius Schabram, 08.04.2024